AIC006 – Skript

Intro

Hallo,

und willkommen zum Podcast „Alles ist Chemie“, ich bin Nicholas Jankowski. Schön, dass ihr zuhört.

Das ist die sechste Folge des Podcasts, heute soll es um das Pech gehen. Pech im chemischen Sinne und nicht als das Unglück, wir werden aber sehen, wie das zusammenspielt. Pech und Teer waren in der Vergangenheit sehr wichtige Produkte, die vielfältige Anwendung hatten, heute hat die Bedeutung abgenommen, da Klebstoffe heute eher aus definierten Polymeren hergestellt werden.

Ich bin meines Zeichens Chemiker, aber kein Historiker. Ich versuche mich an der Einordnung der Geschichte, kann aber dort nur eine kurze Version anbieten, mein Fokus liegt auf den chemischen Zusammenhängen.

Geschichte und Gesellschaft

Wir beginnen mit dem geschichtlichen Hintergrund.

Wir gehen nach den Nobelpreisen also wieder zurück in die Urgeschichte der Menschheit und befinden uns mindestens 80.000 Jahre in der Vergangenheit, wobei die frühesten Funde von Pech sogar 200.000 Jahre zurückliegen.[1] Damit sind wir erneut in der Altsteinzeit, aus der uns lediglich archäologische Funde als Quellen dienen. Schriftliche Aufzeichnungen gibt es noch nicht.

Der früheste Fund wurde in Italien gemacht und 2006 von Paul Mazza publiziert. Es handelt sich dabei um Steinsplitter, die mit Birkenteer bedeckt waren. Weitere Funde wurden in den Niederlanden[2] gemacht und in Deutschland in Königsaue.[3] Königsaue lag ca. 40 km südlich von Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Dort wurde im Jahr 1963 eine Ausgrabung von Dieter Mania durchgeführt, da das Dorf und die Umgebung dem Braunkohleabbau zum Opfer fielen. Was wurde dort gefunden: Keilmesser, Faustkeilblätter und ganz besonders Stücke von Birkenpech. Die große Relevanz ergibt sich daraus, dass sie belegen, dass Neanderthaler Teer trocken destillierten. Das resultierende Produkt, das Pech, konnte und wurde als Klebstoff verwendet. Im Falle der Funde bei Königsaue wurden Reste von Holz gefunden. Die frühen Menschen nutzen Pech um ihre Steinwerkzeuge herzustellen. Sie verbanden mit Pech als Klebstoff hölzerne Schäfte mit Steinklingen.

Auch bei der Gletschermumie Ötzi wurden Gegenstände gefunden, die mit Birkenpech verklebte waren. Diese Funde sind aus der Bronzezeit von vor 5000 Jahren.

Pech und Teer wurden mit der Zeit immer wichtigere Güter und in vielen Bereichen benutzt. So wurde es medizinisch benutzt als Wundpflaster, da die Inhaltsstoffe antiseptisch wirken. Heute auch noch im Bereich der Veterinärmedizin. Vielen dürfte es wohl auch aus Erzählungen über das Mittelalter bekannt sein, dabei vor allem als brennbarer Stoff, der für Fackeln und Brandpfeile benutzt wurde. Die Erzählung von siedendem Pech, das bei Belagerungen als Abwehrmittel eingesetzt wurde, ist allerdings höchstwahrscheinlich ein Mythos. Denn die Herstellung von Pech ist aufwändig und damit teuer.

Wo es dann aber doch in großen Mengen eingesetzt wurde, war in der Neuzeit als Dichtmittel im Schiffsbau, später mehr.

Die heute noch bekannten Sprichwörter Pech haben oder ein Pechvogel sein haben übrigens tatsächlich mit Pech zu tun. Sie entstanden durch die Jagd auf Vögel, wobei wohl Äste mit Teer/Pech bestrichen wurden. Landete ein Vogel darin, klebte er fest und hatte Pech gehabt.

[1] https://doi.org/10.1016/j.jas.2006.01.006

[2] https://doi.org/10.1073/pnas.1907828116

[3] 1. https://doi.org/10.1007/s12520-023-01789-2; 2. Grünberg J, Gratsch H, Baumer U, Koller J (1999) Utersuchung der mittelpaläolithischen “Harzreste” von Königsaue. Ldkr Aschersleben-Stassfurt Jahresschrift Für Mitteldeutsche Vorgeschichte 81:7–38

Chemie: Überblick

Um zu verstehen, was Pech eigentlich ist, ist es nötig sich auch mit Teer, Asphalt und Bitumen auseinanderzusetzen. Kompliziert wird das alles nämlich vor allem deswegen, weil in der Vergangenheit einige der Begriffe synonym verwendet wurden, während heute diese differenziert werden.

Der wesentliche Unterschied liegt zunächst in der Grundlage der Entstehung.

Bitumen und Asphalt werden aus Erdöl gewonnen, wobei Asphalt unterschieden werden kann in einen natürlichen Asphalt und einem technischen. Der technische wird angemischt aus Bitumen und Gestein, Naturasphalt entsteht aus einem langwierigen natürlichen Prozess aus Erdöl. Er besteht ebenfalls aus Bitumen. Die technische Herstellung von Bitumen ist weniger eine Herstellung als eine Reinigung. Irgendwann wird es mal eine lange Folge über Erdölraffination geben, bis dahin lasst mich hier mit einer kurzen Zusammenfassung wegkommen:

Im Wesentlichen besteht Erdöl aus Kohlenwasserstoffen: Langen Ketten oder verzweigten oder cyclischen Kohlenstoffketten. Gesättigt oder ungesättigt mit Wasserstoffatomen, also nur mit Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffen oder auch mit Mehrfachbindungen. Die meisten Moleküle enthalten zwischen 5 und 40 Kohlenstoffatomen.

Nach einigen Vorreinigungen geht die Verarbeitung des Öls mit einer Rektifikation los. Das ist eine hochtechnisierte Form der Destillation. Dabei wird eine Mischung von Verbindungen nach ihrer relativen Flüchtigkeit aufgetrennt. Leicht flüchtige Verbindungen steigen als Gas nach oben hin auf, schwer flüchtige sinken ab in den Sumpf. Der kann dann nochmal unter Vakuum destilliert werden und der Sumpf der dort verbleibt ist Bitumen.

Es sind also keine chemischen Reaktionen nötig um Bitumen aus dem Öl zu erhalten. Am Ende sind fast nur noch lange schwer verdampfbare Kohlenwasserstoffe übrig, der Gehalt an poylcyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ist äußerst gering. Ganz im Gegensatz zu Teer wo diese enthalten und leider krebserregend sind.

Wir können festhalten: Bitumen sind schwerflüchtige Bestandteile des Erdöls und enthalten wenige krebserregende Stoffe.

Und da biegen wir ab zu Teer und Pech. Beginnen wir mit dem Teer, denn Pech geht daraus hervor. Teer wird aus einer Pyrolyse-Reaktion von organischem Material gewonnen. Pyrolyse mal wieder die Reaktion, wobei etwas Organisches erhitzt wird, möglichst unter Luftausschluss und dabei die Materie zerfällt.

Dabei entsteht ein schwarzes zähes Gemisch, der Teer. Teer jedenfalls unterscheidet sich stark vom Erdöl und Bitumen, es enthält deutlich mehr Sauerstoffatome und leider auch einige krebserzeugende Substanzen. Das ist der Grund warum Teer nicht mehr im Straßenbau eingesetzt werden darf. Teer kann aus sehr vielen organischen Substanzen erzeugt werden, beispielsweise Holz oder Kohle, aber auch aus Fett oder Knochen. Gemeinsam ist dabei stets die Zersetzung und damit chemische Reaktion. Das Produkt also der Teer ist dabei in der Regel zähflüssig aber eben doch flüssig.

Pech wird gewonnen in dem man Teer destilliert. Leicht flüchtige Substanzen werden entfernt und erneut bleiben nur schwerflüchtige, zähe und klebrige Substanzgemische übrig. Die Übergänge sind mal wieder fließend, wobei Pech eben als festerer Rückstand gelten kann, der direkt aus der Pyrolyse entsteht oder durch weitere Verarbeitung.

Chemie: Pechherstellung in der Urgeschichte

Aber wie sah das Ganze in der Urgeschichte aus? Die Menschen damals haben ja keine industriellen Anlagen zur Verfügung gehabt. Das Feld der Archäologie und speziell der experimentellen Archäologie gibt Antworten. Dabei werden wissenschaftlich Verfahren entwickelt und erprobt, die wahrscheinlich so auch von Menschen der Vorzeit hätten angewendet werden können. Die Analysemethoden der modernen Chemie können dann die Ergebnisse mit Funden vergleichen. In unserem Beispiel der Pechherstellung kann beispielsweise die chemische Zusammensetzung mit Hilfe von Gaschromatographie und Massenspektrometrie bestimmt werden. Wenn die Zusammensetzungen ähnlich sind, andere Verfahren jedoch andere Zusammensetzungen liefern, dann kann die wahrscheinlichere Methode bestimmt werden.

Aus der experimentellen Archäologie gibt es einige Paper zum Thema Pechherstellung. Derzeit werden vor allem vier Methoden diskutiert.[1]

  1. Condensation method (Kondensation)
  2. Cobble-groove (Stein-Rinne)
  3. Pit roll (Gruben Rolle)
  4. Raised structure (Erhöhte Struktur)
  5. Condensation method

Die erste Methode ist denkbar einfach und möglicherweise die erste entdeckte Art Teer und Pech herzustellen. Dafür wird Birkenrinde an normaler Luft verbrannt, wobei seitlich und über dem Feuer Steine sind. Das Feuer verbrennt die Rinde unvollständig und an den Steinen können Bestandteile kondensieren. Sie sind also zunächst gasförmig durch das heiße Feuer und kühlen am Stein ab und werden flüssig. Am Stein bleibt eine schwarze, zähe, klebrige Masse zurück: Teer und Pech.[2]

  1. Cobble groove

Cobble groove ist ebenfalls eine Methode an der offenen Luft. Es wird eine Rinne gegraben und diese mit Birkenrinde gefüllt und mit Steinplatten teilweise abgedeckt. Nach der Verbrennung ist Teer.

  1. Pit roll

Dabei wird Rinde zusammengerollt und in einer Grube vergraben. Darüber wird Glut ausgebreitet, sodass die Rinde unter Sauerstoffausschluss pyrolysiert. Es kann nicht mehr zur vollständigen Verbrennung kommen und es entsteht vermehrt Teer.

  1. Raised structure

Die Birkenrinde wird in eine erhöhte Struktur gegeben, die kann aus Erde oder später Keramik bestehen. Es befindet sich eine Öffnung im unteren Bereich, sodass entstehender Teer abfließen kann. Die Struktur aus einem oder zwei Behältern wird mit Erde umgeben und von außen erhitzt. Unter Luftausschluss wird erneut mehr Teer produziert.

Besonders die letzte Art eignet sich gut um Teer und Pech herzustellen, sodass in Verfeinerungen diese Methode bis in die Neuzeit bestehen blieb.

Was auch immer zuerst kam, die Frühmenschen konnten Pech herstellen. Meine Wette wäre die einfachste Methode, also die Kondensation an Steinen am Feuer.

[1] https://link.springer.com/article/10.1007/s41982-023-00135-1

[2] https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1911137116

Chemie: Pech-Anwendung

Obwohl wir vorhin schon etwas über die Anwendung gehört haben im Geschichtlichen Teil, finde ich, dass es noch einmal genauer beleuchtet werden sollte.

Zu anfangs war sicherlich die klebende Eigenschaft des Pechs am interessantesten. Wir haben bereits gelernt, dass Pech wesentlich härter ist als Teer. Darum musste es auch in der Frühzeit wahrscheinlich aufgeschmolzen werden, bevor es als Klebstoff genutzt werden konnte. Das macht Pech zu einem Schmelzklebstoff, der am ehesten mit den heutigen Heißklebepistolen vergleichbar ist.

Ein wesentlicher erster Einsatzort war die Verbindung von hölzernen Schäften mit den Steinklingen der Frühmenschen. Was einfach klingt ist dann doch schon ein komplexeres Problem, wenn man bedenkt, dass damals weder Hülsen noch Bohrer zur Verfügung standen. Die Lösung liefert ein Fund aus Deutschland. In der Gemeinde Schöningen in Niedersachsen, bzw. mal wieder einem Tagebau für Braunkohle. Schöningen liegt zwischen Braunschweig und Magdeburg. Etwa 33 km östlich von Braunschweig und ca. 46 km westlich von Magdeburg. Bei Rettungsgrabungen wurden die Speere zwischen 1994 und 1998 gefunden, sie gelten mit einem Alter von 290.000-337.000 Jahren als die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen. Inzwischen ist der Braunkohletagebau eingestellt, die Forschungsgrabungen gehen indes weiter. Nun aber wie sehen die Schäftungen dort aus? Es sind sogenannte Klemmschäfte, der an der Spitze einen Spalt hat. In diesen Spalt kann die Klinge gesetzt werden und mit Pflanzenfasern und Tiersehnen fixiert werden. Dies wurde anfangs und auch in Schöningen ohne Pech gemacht. Die kulturelle Weiterentwicklung fand dann den Klebstoff Pech mit dem der Halt deutlich verbessert werden konnte, Beweise dafür lieferte die schon erwähnte Ausgrabung in Königsaue mit ca. 80000 Jahre alten Fundstücken.

Vorhin schon angeteasert: Im Schiffsbau der großen Segelschiffe wurde Pech benutzt. Die enormen Flotten, die aufgebaut wurden, verlangten nach immer größeren Mengen an Pech.

Das Pech wurde genutzt um die Planken der Schiffe abzudichten, das kalfatern. Dazu wurde Reisig mit Pech bestrichen und in die Lücken zwischen den Planken gedrückt. Diese Art der Abdichtung von Schiffen wurde bereits im Alten Testament erwähnt: bei dem Bau der Arche Noah. Bis ins 19. Jahrhundert war die Pechherstellung damit immer wichtiger geworden, doch nahm sie danach rasant ab, da Kunststoffe entwickelt wurden und die Segelschiffe von den Weltmeeren verschwanden.

Auch wenn wir inzwischen weniger Speere brauchen, das grundsätzliche Problem zwei Teile zu verbinden besteht bis heute. Die chemische Industrie hat eine riesige Palette an Produkten hervorgebracht, die das ermöglichen sollen, ich rede natürlich von Klebstoffen, Pattex, UHU, Tesa und so weiter.

Chemie: Klebstoffe heute

Mit dem Wissen von heute möchte ich noch einmal auf zwei besondere Aspekte eingehen: erstens was es heute für Klebstoffe gibt und wie die eingeteilt werden, und zum Zweiten, wie derzeit die Klebeeigenschaften erklärt werden, da direkt vorweg: das ist noch nicht 100% geklärt.

Beginnen wir mit den Arten der Klebstoffe. Die werden häufig eingeteilt, ob sie synthetischen oder natürlichen Ursprungs sind, und/oder wie sie ihre Stärke erreichen.

Besprechen wir ein paar Beispiele: Natürliche Klebstoffe können aus tierischen oder pflanzlichen Quellen gewonnen werden. So zum Beispiel aus Stärke, Milch-Proteinen, Gelatine oder eben auch Holzteer.

Kleber aus Stärke kann zum Beispiel aus Mais gewonnen werden. Die Stärke wird isoliert und durch Erhitzen in Wasser zu einer klebenden Paste, die weiterverarbeitet und modifiziert werden kann. Eingesetzt wird so ein Klebstoff zum Beispiel um Pakete zu verkleben oder als Tapetenkleister.

Casein ist ein Protein, welches aus Milch gewonnen werden kann, es eignet sich als Kleber und wurde früher sogar im Flugzeugbau benutzt. Heutzutage sind Casein-Klebstoffe eher an Etiketten zu finden. Dazu werden sie leicht erhitzt und als sehr dünner Film aufgetragen, bei Kontakt mit Bier oder Weinflaschen kühlt er schnell ab und klebt sehr schnell die Etiketten fest.

Als synthetischen Klebstoff kennen die meisten wohl Sekundenkleber. Chemisch betrachtet handelt es sich dabei um Cyanoacrylate. Die sind flüssig in der Tube, aber sobald sie Wasser sehen, fangen sie an zu polymerisieren. Dafür ist die normale Luftfeuchtigkeit mehr als ausreichend. Die Cyanoacrylate sind also Monomere, die sobald sie „gestartet“ wurden, mit einander reagieren und so einen Kunststoff bilden, Plastik kann man sagen. So reaktiv wie die Cyanoacrylate sind, kommen sie natürlich nicht vor, sie müssen also synthetisch hergestellt werden.

Wir sehen also zwei Möglichkeiten, wie Klebstoffe aushärten: chemisch reaktiv wie hier beim Sekundenkleber oder physikalisch durch Abkühlen und Erstarren beim Pech.

 

Physikalisch, nicht reaktiv:

Es findet keine chemische Reaktion statt, sondern ein physikalischer Prozess. Da haben wir zum einen das Pech oder die Heißklebe. Ein Stoff wird aufgeschmolzen durch Erhöhung der Temperatur und erstarrt beim Abkühlen, wodurch die benetzten Werkstoffe zusammenkleben.

Andere physikalisch abbindende Klebstoffe basieren auf dem Verdunsten von Lösungsmitteln bzw. Wasser. In Lösungsmitteln liegen die Polymere gelöst vor, dabei sind die Lösungsmittel organischer Natur, beispielsweise Ethylacetat. In Wasser liegen sie als Dispersion vor. Dispersionen kamen in Folge 5 bereits vor über den Nobelpreis 2023. Dabei handelt es sich um zwei unterscheidbare Phasen in einem Gemisch, dabei ist eine Phase im deutlichen Überschuss vorhanden. Hier konkret ist ein Feststoff, das Polymer, in einem flüssigen Medium, dem Wasser, verteilt.

Für beide ist jedenfalls wichtig, dass Wasser oder Lösungsmittel verdampft und die haftende Eigenschaft des Polymers hervortritt.

Der UHU Alleskleber ist ein Beispiel für einen lösungsmittelhaltigen Klebstoff. Tapetenkleister sind Dispersionsklebstoffe, die man sogar selbst anrührt. Sie kommen in der Regel als Pulver daher, was man unmittelbar vor Gebrauch selbst mit Wasser verrührt. Selbstredend sollte man dabei aufpassen nicht zu viel Wasser einzusetzen und die angegebenen Mischungsverhältnisse einzuhalten.

Wir kommen zu den chemischen Klebstoffen, logischerweise müssen chemische Reaktionen ablaufen. Diese führen zu Polymeren, welche die Haftwirkung hervorbringen. Die Reaktionen werden dabei nach Reaktionsmechanismus eingeteilt in Polyaddition, Polykondensation, anionische oder radikalische Polymerisation. An dieser Stelle soll nur ein kurzer Abriss davon erfolgen.

In Polyadditionen und Kondensationen kommen mindestens zwei Moleküle zusammen, die beide 2 kompatible funktionelle Gruppen enthalten. Zum Beispiel Polykondensation: Ein Diol trägt an Anfang und Ende eine OH-Gruppe, also Alkohol-Funktion. Ein Alkohol reagiert mit einer Carbonsäurefunktion einer Dicarbonsäure. Es entsteht ein Ester. Jetzt ist an beiden Enden ein Alkohol oder eine Säurefunktion, die weiter reagieren können mit weiteren Molekülen. Es entstehen weitere Ester, es entsteht ein Polyester, von Poly „viel“, und leicht anders ausgesprochen besser bekannt als Polyester. Bei Polykondensationen entsteht als Koppelprodukt der Reaktion immer auch ein Molekül Wasser, bei Polyadditionen entsteht das nicht, nur das Endprodukt entsteht. Ein Beispiel von Polyadditionen sind Epoxidharze.

Anionische Polymerisation hatten wir vorhin schon beim Sekundenkleber. Eine Doppelbindung des Monomer-Moleküls wird dabei von einem Anion (also ein negatives Atom oder Molekül) angegriffen. Es entsteht als Resultat ein Anion (minus und neutral, wird minus). Dieses kann wieder mit weiteren Doppelbindungen der Monomer-Moleküle reagieren, es ergibt sich eine Kette, das Polymer.

Für radikalische Reaktionen gilt im Prinzip ähnliches, sie wird aber durch Radikale, das heißt ungepaarte, Elektronen gestartet und fortgesetzt. Das hat einige abweichende Eigenschaften zur Folge, einer der Hauptunterschiede ist, dass die radikalischen Ketten dazu neigen Abbruchreaktionen einzugehen, während die anionischen Ketten das nicht tun. Das führt dazu, dass man die anionische besser kontrollieren kann als die radikalische, aber das muss ich für heute nicht weiter ausführen, das ist eher etwas wenn es dazu eine eigene Folge gibt. Radikalische Klebstoffe werden zum Beispiel in der in der Automobilbranche verwendet.

 

Jetzt fehlt nur noch warum Klebstoffe überhaupt kleben. Und wie gesagt es ist noch nicht alles 100% geklärt es gibt verschiedene Theorien, wobei sie sich teilweise ergänzen und unterschiedliche Bereiche abdecken können. Das ganze ist demnach auch ziemlich komplex, ich versuch es hier kurz und griffig runterzubrechen.

 

Alles beginnt letztlich mit dem Kontakt oder genauer die Kontaktfläche. Das ist ja erstmal auch sehr intuitiv: es wird ziemlich schwierig eine Nadel mit der Spitze voran irgendwo anzukleben, seitlich kein Problem.

Wenn man mikroskopisch betrachtet, geht es bei Klebstoffen darum, dass der Kleber sich nach Möglichkeit möglichst breit auf beiden zu verbindenden Oberflächen verteilt. Das nennt sich Benetzung und hängt maßgeblich von den Eigenschaften der Oberfläche ab.

Ein mechanischer Ansatz ist, dass Poren und Vertiefungen gefüllt werden und dadurch ein Zusammenhalt entsteht. Klingt super, logisch, kann aber sehr glatte Oberflächen nicht erklären. Dennoch mechanische Adhäsion findet statt.

Ergänzend gibt es die spezifische Adhäsion. Auch hier mehrere Theorien die sich ergänzen.

Es gibt verschiedene Kräfte, die auf molekularer Ebene wirken, im Grunde basieren sie alle darauf, dass es eine unterschiedliche Ladungsverteilung gibt und sich negative und positive Bereiche anziehen.

  • Es gibt permanente Ladungen, Kationen und Anionen
  • Es gibt permanente Dipole, wobei in einem Molekül ein Atom Elektronen stärker anzieht als das andere Atom. Diese Eigenschaft heißt Elektronegativität und ist zum Beispiel im Wasser vorhanden. Sauerstoff zieht die Elektronen der Wasserstoffe stärker zu sich, der Bereich um das Sauerstoffatom wird negativ, der Bereich an den Wasserstoffen positiv.
  • Solche permanenten Dipole oder Ladungen können bei anderen Atomen und Molekülen Dipole induzieren. Einfach gesagt durch die Nähe zum Beispiel positiver Ladung werden Elektronen auch in anderen nahen Molekülen zur Ladung gezogen, mit bekannten Folgen
  • Aber selbst wenn das nicht da ist. Beständig fluktuiert die Elektronendichte in Atomen. Es entstehen und zerfallen zufällig Dipole.

All das führt in der Gesamtheit zu anziehenden Wechselwirkungen. Je mehr Kontaktfläche nun entsteht, desto stärker können die Wechselwirkungen werden.

Ein Extremfall: Ein polymerer Klebstoff wird auf eine poröse Oberfläche, vielleicht Holz, verteilt. Dabei sickert der Klebstoff teilweise ein und die Polymerketten gehen in die Poren des Holzes. Es kommt zu einer mechanischen Adhäsion. Gleichzeitig wird dadurch der Kontakt zwischen den Polymerketten und dem Material sehr stark. Es treten entsprechend viele Wechselwirkungen auf und die Adhäsion ist stark.

Zusammenfassung

Fassen wir die heutige Folge zusammen:

Wir haben uns heute mit dem ersten synthetischen Klebstoff der Menschheit auseinandergesetzt: dem Pech.

Pech kann aus Teer gewonnen werden, wobei eine Destillation nötig ist, dabei werden flüchtige Bestandteile entfernt und es verbleibt eine zähe bis feste schwarze Masse. Sie besteht unter Anderem aus langen Kohlenstoffketten, die durch unvollständige Verbrennungsprozesse, Pyrolyse, entstanden sind. Pech kann als eine Art Schmelzklebestoff gesehen werden, durch Erwärmen wird es flüssig und kann die Werkstoffe benetzen, bei der Abkühlung wird es hart und verbindet diese. So geschehen bereits in der Steinzeit mit Holzschäften und Steinklingen.

Wahrscheinlich wurde Birkenpech zuerst mit der Kondensationsmethode hergestellt. Dabei wird Birkenrinde so verbrannt, dass sich seitlich oder darüber an Steinen Pech abscheidet. Im Laufe der Geschichte wurde Teer und Pech wichtiger insbesondere für den Segelschiffsbau, sodass die Herstellung sich veränderte. Zunächst wird Holz in Meilern unter Luftausschluss verbrannt, dadurch entsteht mehr Teer, die Ausbeute wird erhöht. Danach kann der Teer destilliert werden und der Rückstand ist unser Pech.

Heutzutage hat Pech viel von seiner Bedeutung verloren. Zum Kleben hat die chemische Industrie viele verschiedene Lösungen hervorgebracht, wissenschaftlich designed um bestmögliche Ergebnisse zu liefern.

Sign Off

Damit sind wir am Ende der Folge. Das Skript zum nachlesen, inklusive Bildern und weiterführenden Links findet ihr auf der Website: allesistchemie.de, zusammengeschrieben ohne Leerzeichen.

Wenn ihr Feedback oder Anregungen habt könnt ihr da einen Kommentar hinterlassen oder eine Email schreiben an info@allesistchemie.de.

 

Das war Alles ist Chemie Folge Nr 6. Danke fürs Zuhören.

Wichtigste Quellen:

A. Blessing, P. Schmidt J. Archaeol. Sci. Rep. 2021, 38, 103096; https://doi.org/10.1016/j.jasrep.2021.103096.

J. Koch, P. Schmidt J. Paleolit. Archaeol. 2023, 6, 8; https://doi.org/10.1007/s41982-023-00135-1.

P. A. Mazza, F. Martini et al. J. Archaeol. Sci. 2006, 33, 9, 1310-1318; https://doi.org/10.1016/j.jas.2006.01.006.

Schmidt, T. J. Koch et al. Archaeol. Anthropol. Sci. 2023, 15, 84; https://doi.org/10.1007/s12520-023-01789-2.

Schmidt, M. A. Blessing et al. Herit. Sci 2021, 9, 140; https://doi.org/10.1186/s40494-021-00621-1.

Weiterführende Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Pech_(Stoff)

https://de.wikipedia.org/wiki/Teer

https://en.wikipedia.org/wiki/Tar

https://de.wikipedia.org/wiki/Holzteer

https://de.wikipedia.org/wiki/Harz_(Material)

https://de.wikipedia.org/wiki/Klebstoff

https://de.wikipedia.org/wiki/Bitumen

https://de.wikipedia.org/wiki/Leim

https://en.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigsaue

https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4ftung_(Vor-_und_Fr%C3%BChgeschichte)

Tar and Pitch – Betts – Major Reference Works – Wiley Online Library; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/0471238961.20011802052020.a01

https://www.lddavis.com/products/liquid-glue/starch-glues/

https://www.intercol.info/casein-glues/

https://www.lddavis.com/products/gelatin-adhesives/

Assoziationen:

  • Kunststoffe, Fallbeispiele
  • Mechanismus Polymerisationen
  • Diffusionsprozesse
  • Oberflächen/Grenzspannung
  • Dispersionen
  • Destillation
  • Erdöl
  • Erdölraffination
  • Wertschöpfung in der chem. Industrie
  • Rohstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
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